„Förderfondsvertrag“ vom 06.09.2010
Inhalt des Papiers mit den Eckpunkten
(Abkürzung: AKW = Atom-, Kernkraftwerk, gelegentlich wird statt AKW auch KKW benutzt.)
Die Bundesregierung hat sich auf „Eckpunkte“ mit den vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) - E.on, Vattenfall, EnBW und RWE - verständigt. Sie hat „Eckpunkte“ zum „Förderfondsvertrag“ vom 06.09.2010 am 09.09.2010 zum Herunterladen ins Internet eingestellt /Link/.
Darin wurde vereinbart, dass sich die Laufzeiten der 17 noch nicht endgültig abgeschalteten Atomkraftwerke (AKWs) im Durchschnitt um ca. 12 Jahre verlängern und dass die EVUs für ihre AKWs zusätzliche Zahlungen zu leisten haben.
Geplant ist, wenn der Vertrag mit den vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) steht, dass dann die entsprechenden Änderungen im Atomgesetz vorgenommen werden.
Wir versuchen im Folgenden zu verstehen, was die „Eckpunkte“ beinhaltet und werden sie dann bewerten.
Laufzeiten
Tabelle: 1. Spalte: Name der AKWs; 2. Spalte: Elektrizitätsmengen (EM), wie sie unter der rot-grünen Regierung mit den EVUs vereinbart worden sind; 3. Spalte: die nun im „Förderfondsvertrag“ vereinbarten Elektrizitätsmengen (EM); 4. Spalte: Leistung der 17 AKWs; 5. Spalte: Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebs
Quellen: Spalte 2 und 5, Spalte 3, Spalte 4
Es sollen - wie auch schon unter Rot-Grün praktiziert - keine festen Restlaufseiten vereinbart werden, sondern Elektrizitätsmengen, die die jetzt noch im Betrieb befindlichen AKWs zusätzlich produzieren dürfen. Dabei dürfen Elektrizitätsmengen auch auf einzelne AKWs untereinander übertragen werden.
Aus den Zahlen in der Tabelle können wir selbst berechnen, dass sich daraus eine zusätzliche Laufzeitverlängerung von ca. 12 Jahren ergibt. Wenn ein AKW stillsteht, verlängert sich seine Laufzeit entsprechend.
Abschöpfung von Zusatzgewinnen
- Kernbrennstoffsteuer: In den Jahren 2011 bis 2016 soll eine „Kernbrennstoffsteuer“ (die sogenannte „Brennelementsteuer“) erhoben werden und zwar (maximal?) 145 €/g Plutonium 239/241, Uran 233/235.
- Förderbeitrag: Zusätzlich sollen ab 2017 zur Förderung des Energiekonzeptes der schwarz-gelben Regierung ein Betrag von 9 €/MWh gezahlt werden. Für diesen ab dem Jahr 2017 geschuldeten Förderbeitrag soll in den Jahren 2011 und 2012 eine nicht rückzahlbare Vorauszahlung von insgesamt 300 Mio. €/a und in den Jahren 2013 und 2016 von insgesamt 200 Mio. €/a. Der Förderbeitrag wird ab 01.01.2017 an die Verbraucherpreise und an die Entwicklung des Strompreises angepasst.
Soweit sind die „Eckpunkte“ einfach zu verstehen. Kompliziert wird es jedoch bei der Minderung des Förderbeitrags. Der Förderbeitrag wird gemindert, falls:
- die hier (s. Tabelle) angegebenen Elektrizitätsmengen zukünftig zu Ungunsten der EVUs geändert werden sollten,
- die „ab dem 06.09.2010 gestellten Nachrüstungs- oder Sicherheitsanforderungen einen Gesamtbetrag von 500 Mio. € für das betreffende KKW überschreiten,“ (ausgenommen sind nur Maßnahmen (z. B. Reparaturen), die für den Regelbetrieb erforderlich sind),
- die Kernbrennstoffsteuer höher wird, als hier angegeben. Z. B. wenn eine nachfolgende Regierung die Kernbrennstoffsteuer erhöhen oder noch weitere Abgaben für die EVUs einführen sollte, hierzu zählen auch Ausgaben für die Entsorgung der Brennstäbe und des radioaktiven Materials,
- ein AKW vorzeitig abgeschaltet wird.
Zu den Anlagen für die Eckpunkte:
In Anlage A werden die AKWs den einzelnen EVUs zugeordnet und in Anlage C wird festgelegt, wie sich die Vorauszahlung des Förderbeitrags auf die einzelne AKWs verteilt. Wichtig für uns ist nur Anlage B, aus der wir für unsere Tabelle (s. 3. Spalte) die neu vereinbarten Elektrizitätsmengen entnommen haben.
Bewertung der „Eckpunkte“
Die Verlängerung der Laufzeiten spart erhebliche Stromkosten und CO2-Emissionen. Die AKWs sind für eine Laufzeit von ca. 60 Jahren ausgelegt worden. Das Ende eines AKWs ist erreicht, wenn die Versprödung des Reaktorkessels so weit vorangeschritten ist, dass seine Festigkeit nicht mehr gesichert ist. Der Reaktorkessel kann nicht ausgetauscht werden. Während der ganzen Laufzeit muss sichergestellt sein, dass alle Störfälle (die nie ganz ausgeschlossen werden können) beherrschbar bleiben. Die dafür zu stellenden Nachrüstungs- oder Sicherheitsanforderungen können so teuer werden, dass ein Betrieb des betreffenden AKWs nicht mehr wirtschaftlich ist. In diesem Fall muss es abgeschaltet werden.
Gegen eine Verlängerung der Laufzeiten wird eingewendet, dass
- AKWs immer ein Restrisiko in sich bergen,
- wir den Strom aus den AKWs nicht mehr brauchen,
- die Entwicklung der regenerativen Energien gebremst wird,
- zusätzlicher Atommüll anfällt, der entsorgt werden muss,
- das juristisch gesehen einen Vertragsbruch bedeutet,
- einzelne AKWs nun doch so alt sind, dass ihre Sicherheit nicht mehr gewahrt ist und
- die Verlängerung der Laufzeiten den EVUs zusätzliche Millionengewinne beschert.
Dazu meinen wir, dass:
- die AKWs in Deutschland inzwischen so sicher betrieben werden können, dass ein größerer Austritt von Radioaktivität ausgeschlossen ist,
- der Strom, der heute noch vom einem AKW bei uns hergestellt wird, dann auf anderem Weg bereitgestellt werden muss, evtl. von einem AKW in Frankreich oder sonst wo her ( Stromimport) oder von einem Kohlekraftwerk. Mit regenerativen Energien allein geht das in den nächsten Jahren schlicht und einfach (noch) nicht. Es fehlen die erforderlichen Stromspeicher, das Stromnetz ist (noch) nicht flexibel genug ("smart grid") und es sind nicht ausreichend regenerative Stromquellen vorhanden,
- die Entwicklung der regenerativen Energien nicht behindert wird, da der Staat eine Abnahmepflicht für regenerative Energien geschaffen und auch die Vergütung dafür vorgeschrieben hat,
- der radioaktive Müll, und dazu gehört auch das Material von den dann zurückzubauenden AKWs, ohnehin entsorgt werden muss und die jetzt zusätzlich entstehenden Mengen an diesem Problem kaum etwas ändern,
- Verträge immer im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden können. Die jetzt geforderte Mitwirkungspflicht des Bundesrates sehen wir mehr als ein politisches Manöver an und schließlich
- bei einzelnen alten AKWs geprüft werden muss, ob sie stillzulegen sind. Wenn z. B. bei einem Flugzeugabsturz die Gefahr besteht, dass dadurch das Reaktorgebäude so stark beschädigt wird, dass Radioaktivität nach außen gelangen kann, muss dieser Zustand geändert werden (z. B. Verstärkung der Reaktorhülle),
- der Staat - und damit wir alle - an den Gewinnen teilhaben müssten.
Mit dieser Aufstellung wollen wir es bewenden lassen, da wir bereits an anderer Stelle dazu einiges geschrieben haben (s. „Scheinargumente“).
Während wir keine stichhaltigen Gründe gegen die geplante Laufzeitverlängerung haben, halten wir die finanziellen Modalitäten für nicht ausgewogen und deshalb für nicht akzeptabel!
Und zwar aus folgenden Gründen:
Zunächst meinen wir grundsätzlich, dass der Staat unbefristete Steuern erheben darf. Im konkreten Fall würde das bedeuten, dass die Kernbrennstoffsteuer unbefristet erhoben werden darf und auch sollte und nicht nur für den Zeitraum von 2011 bis 2016. Es ist uns unverständlich, warum der Staat beispielsweise unbefristet Alkoholsteuer, Hundesteuer, Kapitalertragssteuer und Kfz-Steuer verlangen darf, aber angeblich keine unbefristete Kernbrennstoffsteuer.
Wir verlangen deshalb, dass die Kernbrennstoffsteuer ab dem 01.01.2011 unbefristet erhoben wird, d.h. über die gesamte Laufzeitdauer der AKWs.
Aus der in dem „Förderfondsvertrag“ angegebenen Kernbrennstoffsteuer von 145 € für 1g Uran 235 haben wir berechnet, dass dies etwa 1,8 Cent/kWh entspricht. Wir halten die Höhe dieser Steuer für angemessen. Sie wird dem Staatshaushalt - wie wir an anderer Stelle berechnet haben - ca. 2,3 Milliarden € pro Jahr einbringen (s. auch hier).
Aus dem „Förderfondsvertrag“, Seite 2, ist zu entnehmen, dass der Strom aus den AKWs für ca. 5,4 Cent/kWh verkauft wird. Wir schätzen, dass die reinen Produktionskosten ohne Abschreibung bei ca. 2 Cent/kWh liegen, sodass der Verdienst über 3 Cent/kWh beträgt. Bei einer Steuer von 1,8 Cent/kWh bliebe also für die EVUs noch genügend Gewinn.
Eine unbefristet erhobene Kernbrennstoffsteuer von 1,8 Cent/kWh würde dem Staat, nach unserer Rechnung, insgesamt ca. 51 Milliarden € einbringen.
Die von der schwarz-gelben Koalition verlangte - sechs Jahre lang zu zahlende - Kernbrennstoffsteuer wird aber maximal nur 2,3 • 6 = 13,8 Milliarden € einbringen.
Als vereinbarter Förderbeitrag sind unseren Berechnungen nach nur maximal ca. 17 Milliarden € zu zahlen. D. h. insgesamt würden die EVUs nur maximal ca. 31 Milliarden € statt der 51 Milliarden €, die wir für sinnvoll erachten, bezahlen.
Für den von den EVUs zu zahlenden Förderbeitrag kommen auf den Staat erhebliche Kosten zu: er muss alle Kosten für den Kernbrennstoffkreislauf übernehmen. Insbesondere muss er die Kosten für die Endlagerung tragen, d. h. von den 17 Milliarden €, die angeblich der Förderung der regenerativen Energien dienen sollen, wird vermutlich kaum etwas übrig bleiben. Vielmehr könnte der Fall auftreten, dass die nachfolgende Generation noch drauf zu zahlen hat.
Wir meinen, dass alles, was zur Produktion von Strom aus AKWs erforderlich ist, auch von den EVUs zu zahlen ist.
Fazit:
Dieser Vertrag ist - insgesamt gesehen - eine grobe Fehlleistung der schwarz-gelben Koalition. Er hilft nur der schwarz-gelben Koalition, den Finanzhaushalt bis zur nächsten Wahl etwas „aufzupolieren“, bevor dann das „dicke Ende“ kommt. Was Deutschland u. E. braucht, ist ein Vertrag, der den EVUs die Möglichkeit gibt, die AKWs – solange ihre Sicherheit gewährleistet ist – betreiben zu können, aber den Staat dafür dauerhaft in die Lage versetzt, mit den Abgaben für den Strom aus den AKWs die regenerativen Energien weiter ausbauen zu können, so wie früher die Kernkraft subventioniert worden ist. Außerdem sollten die Gewinne der EVUs aus der Kernkraft auch zum allgemeinen Steueraufkommen beitragen. (mehr)
In der Pressemitteilung vom 09.09.2010 kritisiert Transparency International (TI) die „schriftliche Geheimvereinbarung der Bundesregierung mit den Energiekonzernen“ /Link/. TI hat deshalb beim Bundeskanzleramt einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt. „Die Flucht in privatrechtliche Verträge schafft Intransparenz, und solchen Vereinbarungen fehlt die politische Legitimität.“ so TI.
Wir schlagen vor: Laufzeitverlängerung: Ja, jedoch eine unbefristete, nicht mit anderen Abgaben verrechenbare Kernbrennstoffsteuer von nur ca. 1,5 Cent/kWh anstatt 1,82 Cent/kWh, dafür aber volle Übernahme aller Kosten für den Kernbrennstoffkreislauf, einschließlich der Endlagerung. Dazu fordern wir die Bildung einer ausreichenden Rücklage, die beim Staat anzulegen ist, so dass das Geld nicht beispielsweise bei der nächsten Finanzkrise weg ist.
14.09.2010 mr