Laufzeitverlängerung und Brennelementsteuer für AKWs

Im April 2002 wurde von unserer rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder (SPD) die Änderung im Atomgesetz zum sog. „Atomausstieg“ in Kraft gesetzt. Laut § 7 Abs. 1a des Atomgesetzes (AtG) darf ein Kernkraftwerk (AKW) nicht mehr betrieben werden, nachdem es die in Anlage 3 festgelegte Elektrizitätsmenge plus der durch Übertragung von anderen AKWs sich ergebenden Elektrizitätsmenge produziert hat. Die Betreiber der AKWs haben dem Gesetz unter Druck zugestimmt, in der Hoffnung, dann zunächst erst einmal ihre AKWs in Ruhe betreiben zu können, bis unter einer anderen Regierung das Gesetz wieder rückgängig gemacht würde.

Seit September 2009 haben wir eine schwarz-gelbe Regierung. Laut deren Koalitionsvertrag (/Link/, S. 299) sollen „zu den Voraussetzungen einer Laufzeitverlängerung nähere Regelungen getroffen“ werden. Außerdem sind sich im Bundestag alle fünf Parteien einig, dass eine „Brennelementsteuer“, d. h. eine Steuer für den in AKWs erzeugten Strom eingeführt werden soll.

Jetzt beginnt der Streit zwischen den und innerhalb der politischen Parteien und gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern darüber, wie hoch die Steuer bzw. Abgabe und ob sie zweckgebunden sein soll. Außerdem, ob als Kompensation für die geplante Steuerlast die Laufzeiten der AKWs verlängert werden sollen oder die Begrenzung der Laufzeiten ganz abgeschafft und damit der frühere Zustand wieder hergestellt werden soll.

Im Folgenden werden wir versuchen, aus unserer Sicht dazu unsere Meinung zu äußern:

Zunächst meinen wir, dass die Einführungen von Rest-Laufzeiten im April 2002 ein Eingriff in die Eigentumsrechte (siehe Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) der Kernkraftwerksbetreiber war. Es ist immer problematisch, wenn einem Unternehmer zum Betrieb einer Fabrikanlage eine Genehmigung erteilt wird, der Unternehmer dann diese Fabrik baut und betreibt und dann nach einer gewissen Zeit seine Genehmigung eingeschränkt wird. Solche Eingriffe sind nur erlaubt, wenn durch den Betrieb einer Anlage/Fabrik die Allgemeinheit in unzulässiger Weise geschädigt wird oder geschädigt werden könnte (Sicherheit). Wie weit dies auf (deutsche) Kernkraftwerke zutrifft, wird sehr kontrovers diskutiert.

Zur Einführung der Rest-Laufzeiten im April 2002 wurde das Atomgesetz von der damaligen rot-grünen Regierung ohne Mitwirkung des Bundesrates geändert. Dies geschah vermutlich, weil sie im April 2002 keine Mehrheit im Bundesrat hatte und deshalb u.U. die Änderung am Bundesrat gescheitert wäre.

Zur Verlängerung oder Abschaffung der Rest-Laufzeiten will diesmal die jetzige schwarz-gelbe Regierung den Bundesrat ebenfalls umgehen, weil sie dort z.Z. keine Mehrheit mehr hat und deshalb befürchten muss, mit ihrer Laufzeitverlängerung zu scheitern.

Juristisch gesehen, hat der Bund bzgl. der Kernkraft die ausschließliche Gesetzgebung (Art. 73 Abs. 1 Nr.14 GG). Der Bund hat aber die Länder mit der Aufsicht über die AKWs beauftragt und dazu war die Zustimmung der Länder im Bundesrat (Art. 87c GG) nötig. Es wird nun heftig darüber gestritten, - wen wundert’s - auch mit widersprüchlichen Gutachten, ob eine Änderung der Laufzeiten eine Änderung der Aufsicht der Länder bedeutet oder nicht und folglich die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist oder nicht.

Wenn die Einführung der Laufzeiten im Jahr 2002 nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, dann sollte u. E. auch eine Änderung der Laufzeiten nicht zustimmungspflichtig sein. Auf jeden Fall wäre es ein Armutszeugnis für unseren Bundestag, wenn deshalb das Verfassungsgericht angerufen würde.

Umfragen zeigen, dass die Meinung zur Verlängerung der Laufzeiten innerhalb der Bevölkerung gespalten ist. Wie soll ein Laie beurteilen können, ob die Kritiker mit ihren Szenarien und einseitigen Informationen Recht haben oder ob man mehr denjenigen folgen sollte, die ebenfalls einseitig - von der Kernindustrie beeinflusst - plädieren: Wir brauchen Kernkraftwerke. Diejenigen, die in der Nähe eines Kohlekraftwerks leben, werden für längere Laufzeiten der (AKWs sein und diejenigen, die erzählt bekommen, dass jederzeit ein auf ein AKW abstürzendes Flugzeug einen GAU verursachen kann, sind eher für Kohlekraftwerke und Windräder, Hauptsache, sie sind möglichst weit weg vom eigenen Wohnsitz (Sankt Florians-Prinzip). Oder sie setzen ausschließlich auf erneuerbare Energien.

Wir meinen, dass, solange ein AKW sicher betrieben werden kann, es auch länger laufen sollte, als es nach dem jetzigen Atomgesetz vorgesehen ist. Die Entsorgung der Brennelemente muss sowieso unabhängig von Laufzeiten gelöst werden, ebenso beim Rückbau des AKWs nach dessen Stilllegung die Beseitigung des radioaktiven Materials.

Unabhängig von der Diskussion über Laufzeiten halten wir es für sinnvoll, eine Steuer („Brennelementsteuer“) und eine zweckgebundene Abgabe für den in AKWs erzeugten Strom zu erheben, wie sie u. a. auch von unserer Partei gefordert wird.

Für die Höhe der Steuer könnte man z.B. davon ausgehen, dass nach 30 Betriebsjahren die Baukosten eines AKWs abgeschrieben sind. Danach würde der „Atomstrom“ um ca. 1,5 Cent/kWh billiger sein. Diesen Betrag könnte man dann als (allgemeine) Steuer einziehen. Die 1,5 Cent/kWh würden in etwa die im Sparpaket der Bundesregierung vorgesehenen 2,5 Milliarden Euro einbringen. Zusätzlich könnten noch weitere 1 bis 3 Cent/kWh eingezogen werden, die aber zweckgebunden für die Entsorgung der Brennstäbe und des übrigen radioaktiven Materials dienen sollten. Dadurch könnten pro Jahr bis zu 5 Milliarden Euro für ein Endlager und für eventuelle Risiken zurückgelegt werden. Durch diese Abgaben würden sich die Herstellungskosten für den Strom aus den AKWs in etwa verdoppeln. Noch höhere und weitere Abgaben halten wir nicht für sinnvoll. Sie könnten als ein illegaler Eingriff in die Privatwirtschaft, um die Kernindustrie „abzuwürgen“, aufgefasst werden. Außerdem könnten die Abgaben zu höheren Strompreisen führen und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt schmälern, abgesehen von der zusätzlichen Belastung der vielen kleineren, mittelständischen Betriebe und der Privathaushalte.

Laut § 9a Abs. 3 Atomgesetz (genauer: Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren) hat der Bund für die sichere Endlagerung zu sorgen. Wir hoffen, dass alle Parteien in Zukunft konstruktiv daran arbeiten. Bis heute haben wir den Eindruck, dass die jeweils zuständigen politischen Verantwortlichen und deren Beauftragte am Endlager Gorleben nur herum laborieren und Geld in die Erde bzw. ins Salz versenken und die jeweils nicht daran Beteiligten (z. B. aus der Opposition) leider nur kritisieren anstatt konstruktiv mitzuwirken.

Die Diskussionen über die Laufzeitverlängerung von AKWs, über die Höhe der Steuern und Abgaben auf „Atomstrom“ und die Endlagerung werden noch lange Zeit viele Emotionen hervorrufen. Letztendlich müssen wir aber zu einem sachbezogenen Ergebnis kommen, wenn wir unseren Lebensstandard auch für die Nachkommenden sichern wollen.
04.08.2010 r

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