(Mit einem Nachtrag vom 09.06.2010)
(Abkürzungen: KKK= Kernkraftwerk Krümmel, AKW = allgemein für Atomkraftwerk, KKW = allgemein für Kernkraftwerk)
Am 28.06.2007, um 15:02 Uhr, gab es einen Kurzschluss in einem der beiden Trafos, die die im Kernkraftwerk Krümmel (KKK) vom Generator erzeugte elektrische Energie von 27000 V auf 380000 V transformieren, bevor sie in das Hochspannungsnetz eingespeist wird. Der Trafo hat eine Leistung von 740 MW, das entspricht dem Bedarf einer Großstadt von etwa 200 000 Einwohnern. Der Trafo geriet durch den Kurzschluss in Brand. Dabei sind 10 bis 45 Tonnen Isolieröl verbrannt (Im Trafo waren 70 Tonnen Öl). Es gab – außer der Trafobox – keine Gebäudeschäden. Die Ursache für den Kurzschluss ist bislang nicht bekannt.
Die beiden Trafos stehen vor dem Kernkraftwerksgebäude, d. h. es handelte sich nicht um einen Störfall im KKK, sondern der im KKK erzeugte Strom wurde nur zur Hälfte abgenommen.
Der Generator hätte also zunächst mit halber Leistung weiterlaufen können, da einer der beiden Trafos noch in Ordnung war. Die automatische Steuerung schaltete jedoch unerwartet auch den zweiten Trafo ab. Der im KKK erzeugte Strom wurde nicht mehr abgenommen und deshalb erfolgte - wie für solche Fälle vorgesehen - eine Schnellabschaltung des Reaktors. Nach der Abschaltung muss die Kühlung weiterlaufen, weil durch die Radioaktivität in den Brennstäben weiterhin Wärme erzeugt wird. Durch Missverständnisse zwischen dem Schichtführer und dem Reaktorfahrer wurde versehentlich für ca. 4 Sekunden die falsche Speisewasserpumpe (Pumpe, die das zurückfließende Wasser in den Reaktordruckbehälter pumpt) abgeschaltet. Dadurch sanken der Druck und der Wasserspiegel im Druckbehälter. Das Wasser wurde anschließend wieder nachgefüllt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass alle Systeme im Nuklearteil des KKK richtig funktioniert haben, dass es aber durch Missverständnisse zu unvorschriftsmäßigen Handlungen kam, deren Folgen jedoch durch die Sicherheitssysteme abgefangen wurden. Dennoch sind derartige Fehlhandlungen grundsätzlich zu vermeiden.
Durch das Ausfallen der beiden Trafos kurz nacheinander und durch die o. g. fehlerhafte Bedienung des Reaktors wurde der Prozessrechner überlastet; dabei gingen Daten verloren, die erst wieder rekonstruiert werden mussten. Dieser Umstand betraf zwar nicht die Sicherheit des Kraftwerks, jedoch die vorgeschriebene Archivierung der Abläufe im KKK.
Zusätzlich gelangten dann noch Brandgase (gefiltert) über die Lüftung in die Warte, so dass vorsorglich Gasmasken geholt wurden und einer in der Warte die Gasmaske auch aufsetzte. In Zukunft muss bei allen AKWs verhindert werden, dass Brandgase durch die Lüftung nach innen gesaugt werden können.
Schließlich: Medienwirksam, aber für die Sicherheit von AKWs ohne Bedeutung ist, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund einer anonymen Strafanzeige den angeblich in der Warte verletzten Mitarbeiter sprechen wollte, was von der Firma Vattenfall zunächst verwehrt wurde. Erst als die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl kam, durfte der Mitarbeiter, der unverletzt war, mit der Staatsanwaltschaft sprechen, so dass die Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegenstandslos wurde.
Konsequenzen:
Zunächst ist fairerweise festzuhalten, dass die Mannschaft damit beschäftigt war, den Reaktor abzufahren und daher keine Zeit hatte, die dabei gemachten Fehler zu ergründen. Der Betreiber muss die Möglichkeit und die Zeit haben, selbst genau zu analysieren, was falsch gelaufen ist. Sinnvoll ist es, dass die Aufsichtsbehörde bzw. deren Gutachter von Anfang an vollständigen Einblick in die Geschehnisse haben, ohne den Betreiber bei der Klärung der Vorgänge zu behindern. In diesem Stadium kann es also nur um Beratung, Kontrolle und Registrierung der Ereignisse gehen. Leider - und das ist der berechtigte Vorwurf - hat Vattenfall sich zunächst über die Abläufe im KKK in Schweigen gehüllt und dann - wohl erst unter dem Druck der Öffentlichkeit - die Dinge offen gelegt. Schwerwiegend war dabei, dass auch die Aufsichtsbehörde, das schleswig-holsteinische Sozialministerium in Kiel, zunächst im Unklaren gelassen wurde.
Doch jetzt hat Vattenfall /Link/ offenbar alles ins Internet eingestellt, so dass jeder die Ereignisse im KKK nachlesen kann. Wir können nicht erkennen, dass dies der Kerntechnik schadet. Schaden kann u. E. nur die anfängliche Geheimniskrämerei.
Allerdings, wenn der Kraftwerksbetreiber Vattenfall nicht überzeugend klarlegen kann, wie er in Zukunft sicherstellt, dass alle Information lückenlos zumindest zur Aufsichtsbehörde gelangen, muss überlegt werden, ob er noch geeignet ist, ein Kernkraftwerk zu betreiben.
Als weitere Konsequenz müssen einige Abläufe bei der Bedienung des KKK überdacht und verbessert werden. Das kann wesentlich aufwendiger sein, als es hier klingt, weil u. U. die gesamte Leittechnik verbessert werden muss. Man wird auch die anderen AKWs überprüfen müssen, ob ähnliche Fehler auch dort möglich sind. Außerdem muss der Prozessrechner aufgerüstet und besser organisiert werden.
Auch wenn es bisher so aussieht, dass alle Systeme ordnungsgemäß gearbeitet haben, müssen auf Grund der Bedienungsfehler einige Analysen durchgeführt werden. Immerhin war der Füllstand im Reaktor zu niedrig gewesen und der Druck kurzzeitig abgesenkt worden, was zu unnötigen Materialbelastungen geführt hat.
Obwohl es teilweise nur das AKW Brunsbüttel betraf, soll hier - weil es durch die Medien verbreitet wurde - erwähnt werden, dass bei einer der normalen Kontrollen festgestellt wurde, dass in einem Rohr Verdacht auf Radiolysegas bestand und dass diverse Dübel nicht den Vorschriften entsprechen (letzteres auch im KKK). Das Rohr wurde ausgespült und alle Dübel müssen weiter überprüft und ggf. ersetzt werden. (Dies betrifft auch die Dübel in den anderen AKWs.) Mit den Dübeln sind z. B. Arbeitsbühnen mit Apparaturen und die Rohrleitungen an den Wänden des AKW befestigt. Diese Dübel müssen z. B. bei Erdbeben oder Flugzeugabsturz halten; deshalb die hohen Anforderungen an diese Dübel.
Noch ein paar Worte zur „Liste offener Punkte aus der Sicherheitsüberprüfung für das Kernkraftwerk Brunsbüttel“, da hier offenbar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unzutreffende Behauptungen verbreitet wurden, s. Medieninformation vom 18.07.2007: „Sozialministerium: Sicherheitsüberprüfung Brunsbüttel gesetzmäßig“ /Link/ (pdf-Datei 22 KB), die in der Bevölkerung den Eindruck erwecken könnten, das AKW Brunsbüttel (KKB) sei ein besonders unsicheres Kernkraftwerk. Die Liste beinhaltet die bei der Sicherheitsüberprüfung festgestellten Mängel und Unstimmigkeiten, die aus unserer Sicht nicht so gravierend sind, dass deshalb das KKB abzuschalten wäre, sondern dass es ausreichend ist, diese so schnell wie möglich zu klären und ggf. Mängel zu beseitigen. In den meisten Fällen geht es darum, die Nachweise auf den neuesten Stand zu bringen und Lücken zu schließen. Andere Punkte befassen sich mit Auswirkungen der Klimaänderung (z. B.: Sind die Deiche hoch genug? Ist der Kamin auch gegenüber den heutigen Sturmböen standfest?) Weiterhin ist die Überprüfung auf Erdbebensicherheit auszudehnen. In einem weiteren Teil der Liste geht es darum, ob bestimmte angenommene Leckagen und Rohrbrüche beherrscht werden. Schließlich geht es noch um Versprödungen am Reaktor. Die bei der Kernspaltung entstehenden Neutronen bewirken, dass Stahl mit der Zeit spröde und damit weniger haltbar wird. Dieser Vorgang wird schon bei der Planung eines jeden AKW berücksichtigt. Es ist dann während der Laufzeit immer wieder zu prüfen, ob die Versprödung nicht schneller vonstatten geht als ursprünglich angenommen. - Anhand der o. g. Liste kann festgestellt werden, dass der Betreiber und die von der Aufsichtsbehörde beauftragten Gutachter seit einigen Jahren damit beschäftigt sind, die Mängelliste abzuarbeiten. (Nachtrag vom 09.06.2010: s. /Link/)
Insgesamt gesehen: Es ist wie mit einem Auto beim TÜV. Der TÜV kann eine Reihe von Mängeln feststellen. In der Regel kann das Auto aber trotzdem weitergefahren werden, es muss nur bald zur Werkstatt und der TÜV prüft danach nochmals, ob er nun dem Auto die Plakette geben kann. Bei AKWs ist es ähnlich, auch hier muss u. a. der TÜV prüfen, nur sind diese Kontrollen viel zeitaufwendiger. Allerdings gilt: Bei Mängeln, die unmittelbar die Sicherheit gefährden, muss genauso, wie ein Auto in diesem Fall sofort aus dem Verkehr gezogen wird, auch ein AKW sofort abgeschaltet werden.
Auch hier zeigt sich wieder: Geschadet hat nicht die Veröffentlichung der Liste, sondern nur die Geheimniskrämerei davor. Dies sollte die SPD-Führung ermutigen, sich auch bei unseren staatlichen Organen für mehr Transparenz einzusetzen. Bei ernsthafter Betrachtung werden sich die meisten Argumente, die von Behörden gegen Transparenz vorgetragen werden, als nur vorgeschoben erweisen. Es ist glaubwürdiger, wenn man Transparenz von Firmen verlangt, sie dann auch beim Staat zu praktizieren.
Für eine Antiatomkraft-Stimmungsmache sind die Vorfälle u. E. kaum geeignet - auch wenn Politiker aller Couleur und einige Gruppen das den Menschen einreden wollen -, da diese Vorkommnisse nicht direkt die Sicherheit von AKWs betrafen. Hierzu müsste vielmehr darüber diskutiert werden, ob wir die Atomkraftwerke insgesamt für so gefährlich halten, dass wir sie abschalten wollen, mit der Konsequenz, dass wir den CO2-Ausstoß erheblich steigern und/oder drastisch Energie einsparen und dabei zwangsweise auf viele Annehmlichkeiten und technische Errungenschaften verzichten müssten. Alternative Energien und Erhöhung der Effizienz bei der Energienutzung sind zwar unbedingt notwendig, können aber - über noch längere Zeit - die Atomkraft nicht ersetzen.
23.07.2007 gmr
Nachtrag vom 09.06.2010: Nach dem Trafobrand am 28.06.2007 stand das Kernkraftwerk Krümmel (KKK) ca. zwei Jahre still und wurde am 19.06.2009 wieder angefahren. Während dieser Zeit wurde u. a. der zerstörte Maschinentrafo AT01 durch einen neuen Trafo ersetzt. Schon nach kurzer Zeit, nämlich am 04.07.2009, erfolgte wieder eine Schnellabschaltung und zwar nach einem Kurzschluss in dem anderen Maschinentrafo AT02. Siehe dazu unseren Beitrag: „Schnellabschaltung des Kernkraftwerks Krümmel“.
Die neuerliche Phase des Stillstands wurde dazu genutzt, die beiden Maschinentrafos AT01 und AT02 und eine Reihe weiterer Transformatoren durch neue zu ersetzen, sonstige Mängel zu beheben und weitere Verbesserungen durchzuführen /Link/. Das KKK soll in diesem Jahr oder spätestens 2011 wieder in Betrieb gehen.